Einkaufsmanagerindex (EMI) Börsenlexikon Vorheriger Begriff: Einheitskurs (Kassakurs) Nächster Begriff: Einkommensteuer
Ein monatlich ermittelter Frühindikator für die konjunkturelle Lage in der deutschen Industrie, der auf der Befragung von Einkaufsleitern zu Trends wie Auftragslage, Produktion und Beschäftigung basiert und Werte über 50 als Expansion signalisiert
Der Einkaufsmanagerindex (EMI) ist ein konjunkturbezogener Frühindikator, der die wirtschaftliche Lage und Entwicklungstendenzen in verschiedenen Wirtschaftssektoren widerspiegelt. Er basiert auf regelmäßigen Befragungen von Einkaufsverantwortlichen aus Unternehmen unterschiedlicher Branchen, insbesondere aus dem verarbeitenden Gewerbe und dem Dienstleistungssektor. Der EMI gilt als wichtiges Instrument zur kurzfristigen Einschätzung der wirtschaftlichen Aktivität und findet breite Anwendung in der volkswirtschaftlichen Analyse sowie bei Investitionsentscheidungen von Marktteilnehmern.
Konzept und Definition
Der Einkaufsmanagerindex (EMI) misst die Einschätzung von Unternehmen hinsichtlich aktueller und erwarteter Geschäftsentwicklungen. Grundlage des Index sind monatliche Umfragen unter Einkaufsleitern großer und mittlerer Unternehmen. Die Befragung konzentriert sich auf zentrale Aspekte der Geschäftstätigkeit, insbesondere:
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Auftragseingänge
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Produktionsvolumen bzw. Geschäftstätigkeit
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Beschäftigung
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Lagerbestände
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Einkaufspreise
Jede Frage wird in Form einer Einschätzung beantwortet (z. B. „besser“, „gleich“, „schlechter“) im Vergleich zum Vormonat. Die Antworten werden anschließend in einen diffusionsgewichteten Index überführt.
Berechnungsmethodik
Die Ermittlung des EMI erfolgt auf Basis einer standardisierten Formel. Der Indexwert ergibt sich als gewichteter Mittelwert der Anteile positiver, gleichbleibender und negativer Einschätzungen:
[ \text{EMI} = (P_1 \cdot 1) + (P_2 \cdot 0{,}5) + (P_3 \cdot 0) ]
Dabei gilt:
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\( P_1 \): Anteil der Antworten mit positiver Einschätzung („Verbesserung“)
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\( P_2 \): Anteil der neutralen Einschätzungen („gleich geblieben“)
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\( P_3 \): Anteil der negativen Einschätzungen („Verschlechterung“)
Der daraus resultierende Index liegt auf einer Skala von 0 bis 100 Punkten:
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Wert über 50: Hinweis auf wirtschaftliches Wachstum (Expansion)
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Wert unter 50: Hinweis auf wirtschaftlichen Rückgang (Kontraktion)
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Wert = 50: Keine Veränderung zum Vormonat
Je größer die Abweichung von der 50-Punkte-Marke, desto ausgeprägter die konjunkturelle Tendenz.
Teilindizes und Sektoren
Der EMI wird häufig für unterschiedliche Wirtschaftsbereiche separat ausgewiesen. Zu den wichtigsten Varianten zählen:
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EMI Verarbeitendes Gewerbe (Manufacturing PMI) – Fokus auf Industrieproduktion, oft im internationalen Vergleich zitiert.
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EMI Dienstleistungen (Services PMI) – Bewertung der Geschäftslage im Dienstleistungssektor.
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Composite-EMI (Gesamtindex) – Kombination der beiden vorgenannten Indizes, gewichtet nach ihrer wirtschaftlichen Bedeutung.
Einzelne Teilkomponenten des EMI – wie z. B. Auftragseingänge, Beschäftigung oder Lagerbestände – werden ebenfalls gesondert veröffentlicht und erlauben eine differenzierte Analyse der wirtschaftlichen Entwicklung.
Relevanz für Finanzmärkte und Wirtschaftspolitik
Der EMI gilt als wichtiger Frühindikator für die Konjunkturentwicklung, da er bereits vor Veröffentlichung offizieller Wirtschaftsstatistiken Hinweise auf die wirtschaftliche Dynamik gibt. Er ist besonders beliebt bei:
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Notenbanken, z. B. der EZB oder der US-Notenbank Federal Reserve, zur Einschätzung des geldpolitischen Handlungsbedarfs.
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Kapitalmarktteilnehmern, zur Beurteilung von Aktien-, Zins- und Währungsentwicklungen.
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Unternehmen, zur Planung von Produktion, Personal und Investitionen.
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Wirtschaftsforschungsinstituten, zur Prognose volkswirtschaftlicher Kennziffern wie BIP-Wachstum oder Industrieproduktion.
Starke Veränderungen des EMI, insbesondere das Über- oder Unterschreiten der Schwelle von 50 Punkten, führen häufig zu unmittelbaren Marktreaktionen.
Institutionen und regionale Erhebungen
Der Einkaufsmanagerindex wird weltweit von unterschiedlichen Organisationen erhoben. Zu den wichtigsten Anbietern zählen:
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S&P Global (vormals IHS Markit): Erhebt EMIs für zahlreiche Länder und Regionen, darunter den Euro-Raum, USA, China, Japan, Großbritannien und Indien.
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ISM (Institute for Supply Management): Veröffentlicht monatlich den vielbeachteten ISM-Index für die USA.
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Caixin Media und China Federation of Logistics and Purchasing (CFLP): Zuständig für die Erhebung des chinesischen PMI.
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S&P Global/HCOB: Zuständig für den deutschen Einkaufsmanagerindex, der insbesondere die Entwicklung des verarbeitenden Gewerbes und des Dienstleistungssektors abbildet.
Die Indizes werden üblicherweise am Monatsanfang veröffentlicht und gelten deshalb als frühzeitig verfügbare Konjunkturindikatoren.
Beispielhafte Interpretation
Ein deutscher EMI (verarbeitendes Gewerbe) von 47,2 im Vergleich zum Vormonat von 48,3 bedeutet:
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Die Einschätzung der wirtschaftlichen Lage hat sich weiter verschlechtert.
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Der Index liegt unter der neutralen Marke von 50 Punkten, was auf eine Kontraktion hindeutet.
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Die rückläufige Entwicklung könnte auf sinkende Auftragseingänge oder einen Beschäftigungsabbau zurückzuführen sein.
Umgekehrt würde ein Indexwert über 50 auf eine wirtschaftliche Expansion hinweisen, beispielsweise durch steigende Produktionsniveaus oder eine Zunahme der Beschäftigung.
Stärken und Schwächen
Stärken:
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Hohe Aktualität: Daten liegen bereits zu Beginn eines Monats vor und sind damit früher verfügbar als viele andere Indikatoren.
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Internationale Vergleichbarkeit: Einheitliche Methodik erlaubt länderübergreifende Vergleiche.
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Breite Abdeckung: Umfragen decken sowohl Industrie als auch Dienstleistungen ab.
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Marktreaktionsfähigkeit: Der EMI hat eine hohe Relevanz für kurzfristige Marktbewegungen.
Schwächen:
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Subjektivität der Einschätzungen: Die Antworten beruhen auf subjektiven Bewertungen der befragten Manager.
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Keine absoluten Werte: Der Index gibt nur Richtung und Tempo der Veränderung an, nicht aber absolute Niveaus (z. B. Produktionsmenge).
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Volatilität: Kurzfristige Schwankungen können durch externe Schocks (z. B. geopolitische Ereignisse) überzeichnet sein.
Fazit
Der Einkaufsmanagerindex (EMI) ist ein zentraler Frühindikator für die wirtschaftliche Aktivität in Industrie und Dienstleistungssektor. Durch regelmäßige Befragungen von Einkaufsverantwortlichen liefert der Index schnelle und zuverlässige Hinweise auf konjunkturelle Trends. Die 50-Punkte-Marke bildet dabei die entscheidende Schwelle zwischen Expansion und Kontraktion. Aufgrund seiner hohen Aktualität, Standardisierung und Marktwirkung ist der EMI ein unverzichtbares Instrument in der modernen Konjunktur- und Finanzmarktanalyse.