Gap (Kurslücke) Börsenlexikon Vorheriger Begriff: Gamma Hedge Nächster Begriff: Garantie

Eine Preisunterbrechung im Chart, bei der der Eröffnungskurs eines Handelstages außerhalb des Schlussbereichs des Vortages liegt, um plötzliche Marktstimmungsänderungen ohne durchgängigen Handel widerzuspiegeln

Gap (deutsch: Kurslücke) bezeichnet in der technischen Analyse eine Preisspanne im Kursverlauf eines Finanzinstruments, in der kein Handel stattgefunden hat, d. h. der Eröffnungskurs eines Handelstages oder -zeitraums liegt deutlich über oder unter dem Schlusskurs der vorangegangenen Periode. Gaps treten sowohl in Aufwärts- als auch in Abwärtstrends auf und gelten je nach Kontext als Signal für Trendveränderungen oder Trendbestätigungen.

Definition und Entstehung

Ein Gap ist eine Lücke im Chart, die dadurch entsteht, dass zwischen dem Schlusskurs eines Zeitraums (z. B. Vortag) und dem Eröffnungskurs des folgenden Zeitraums eine Preislücke liegt, in der keine Umsätze stattfanden. Visuell zeigt sich dies in Linien- oder Kerzencharts als leere Zone zwischen zwei Kurspunkten oder -kerzen.

Ein Gap entsteht typischerweise durch:

  1. Nachrichten oder Ereignisse außerhalb der Handelszeiten, z. B. Unternehmenszahlen, geldpolitische Entscheidungen oder geopolitische Entwicklungen.

  2. Überraschende Marktreaktionen, die zu sprunghaften Kursänderungen führen.

  3. Liquiditätsengpässe, insbesondere bei Nebenwerten oder in Zeiten geringer Handelsaktivität.

Gaps treten auf allen Zeitebenen auf – von Minutencharts bis hin zu Wochen- oder Monatsdarstellungen – sind jedoch auf Tagesbasis besonders bedeutsam.

Arten von Gaps

In der technischen Analyse werden Gaps in verschiedene Typen unterteilt, je nach ihrer Lage im Trendverlauf und ihrer Marktbedeutung:

  1. Breakaway Gap (Ausbruchslücke):

    • Entsteht zu Beginn eines neuen Trends, oft beim Ausbruch aus einer Konsolidierung oder Formation.

    • Gilt als starkes Signal für eine bevorstehende Bewegung in Trendrichtung.

  2. Continuation Gap (Fortsetzungslücke, auch Runaway Gap):

    • Tritt in der Mitte eines bestehenden Trends auf.

    • Deutet auf eine Trendbeschleunigung hin.

    • Wird manchmal zur Zielermittlung (Measuring Gap) verwendet.

  3. Exhaustion Gap (Erschöpfungslücke):

    • Erscheint am Ende eines Trends.

    • Wird als Warnsignal für eine mögliche Trendumkehr interpretiert.

    • Geht oft mit hohem Volumen und anschließender Gegenbewegung einher.

  4. Common Gap (gewöhnliche Kurslücke):

    • Entsteht innerhalb einer Seitwärtsbewegung oder ohne besonderen Anlass.

    • Hat geringe prognostische Aussagekraft.

    • Wird meist kurzfristig geschlossen.

  5. Island Gap (Insel-Gap oder Inselumkehr):

    • Besteht aus zwei entgegengesetzten Gaps mit einer dazwischenliegenden „Insel“ aus Kursen.

    • Gilt als starkes Umkehrsignal.

Diese Kategorisierung hilft Analysten, Gaps nicht nur visuell zu erkennen, sondern auch im Marktgeschehen sinnvoll einzuordnen.

Gap-Fill: Das Schließen einer Kurslücke

Ein zentrales Konzept in der Gap-Analyse ist das sogenannte Gap-Fill – also das nachträgliche Schließen einer zuvor entstandenen Kurslücke. Viele Gaps, insbesondere Common Gaps, werden im weiteren Kursverlauf vollständig geschlossen, d. h. der Kurs kehrt in den Bereich vor der Lücke zurück.

Die Wahrscheinlichkeit eines Gap-Fills hängt stark vom Gap-Typ ab:

  • Common Gaps werden häufig geschlossen.

  • Continuation Gaps werden seltener geschlossen.

  • Breakaway Gaps werden oft über längere Zeiträume nicht geschlossen.

  • Exhaustion Gaps werden in der Regel sehr schnell geschlossen, da sie am Ende eines Trends auftreten.

Ein vollständiges Gap-Fill liegt vor, wenn der Kurs wieder in die Preisspanne vor dem Gap eintritt und diese vollständig überlappt.

Bedeutung und Interpretation in der technischen Analyse

Gaps gelten als bedeutende charttechnische Signale, da sie auf plötzliche Veränderungen im Kräfteverhältnis von Angebot und Nachfrage hinweisen. Ihre Interpretation hängt vom jeweiligen Typ, vom begleitenden Handelsvolumen und vom Kontext im Gesamtchart ab.

Wichtige Interpretationsansätze:

  • Gaps mit hohem Volumen gelten als besonders aussagekräftig.

  • Kurslücken an Schlüsselmarken (z. B. Unterstützung oder Widerstand) verstärken deren Relevanz.

  • Fehlende Anschlussbewegung nach einem Gap kann auf ein Fehlsignal hinweisen.

  • Unbestätigte Gaps (z. B. Gaps ohne Volumenanstieg oder Trendfolgetage) gelten als unsicher.

Einzelne Gaps sind für sich allein nicht immer aussagekräftig. In Kombination mit weiteren technischen Indikatoren wie gleitenden Durchschnitten, Oszillatoren (z. B. RSI oder MACD) oder Volumenanalyse erhöht sich jedoch ihre prognostische Qualität.

Strategische Anwendungen

Trader und technische Analysten nutzen Gaps für verschiedene Zwecke:

  1. Einstiegssignale:

    • Breakaway- und Continuation Gaps können als Kauf- bzw. Verkaufsimpulse dienen.

  2. Zielermittlung:

    • Measuring Gaps ermöglichen eine Projektion der Kursbewegung (z. B. doppelte Distanz vom Trendbeginn bis zum Gap).

  3. Gap-Trading-Strategien:

    • Ziel ist das gezielte Ausnutzen von Gap-Fills, insbesondere bei Common Gaps.

  4. Stop-Loss-Management:

    • Gaps können zur Bestimmung technischer Stop-Niveaus genutzt werden, etwa unterhalb eines Breakaway Gaps bei Long-Positionen.

  5. Volumenanalyse:

    • Ein Gap mit starkem Volumen weist auf breitere Marktteilnahme und nachhaltige Kursbewegung hin.

Grenzen und Risiken

Trotz ihrer Aussagekraft bergen Gaps auch Risiken:

  • Fehlsignale bei Nachrichten-Gaps, etwa bei Überreaktionen nach Quartalszahlen.

  • Verwechslung der Gap-Typen, insbesondere zwischen Continuation und Exhaustion Gaps.

  • Unzuverlässigkeit in illiquiden Märkten, wo auch geringe Orderveränderungen Gaps verursachen können.

  • Gap-Risiken bei offenen Positionen über Nacht, etwa durch unerwartete Marktereignisse.

Daher sollten Gaps stets im Kontext weiterer charttechnischer, fundamentaler oder volumentechnischer Kriterien bewertet werden.

Fazit

Ein Gap ist eine sichtbare Kurslücke im Chartverlauf, die durch eine Differenz zwischen Schluss- und Eröffnungskurs entsteht. Abhängig von ihrer Position im Trend, dem begleitenden Volumen und der Marktphase lassen sich Gaps in verschiedene Typen einordnen, die unterschiedliche Signale über den weiteren Kursverlauf geben können. Als Bestandteil der technischen Analyse sind Gaps ein wertvolles Werkzeug zur Erkennung von Trendphasen, Trendumkehrpunkten und potenziellen Kurszielen – vorausgesetzt, sie werden sachlich, im Gesamtzusammenhang und nicht isoliert interpretiert.