ROUNDUP/Regierungskrise in London

Starmers Vize tritt zurück 05.09.2025, 18:41 Uhr von dpa-AFX Jetzt kommentieren: 0

LONDON/BIRMINGHAM (dpa-AFX) - Großbritannien steckt wegen einer Steueraffäre der stellvertretenden Premierministerin in einer Regierungskrise mit ungewissem Ausgang. Vizeregierungschefin Angela Rayner erklärte am Mittag ihren Rücktritt, und noch während Premierminister Keir Starmer an einer Kabinettsumbildung arbeitete, erklärten sich die Rechtspopulisten zum großen Gewinner der turbulenten Stunden.

Wegen der "Nachricht aus Westminister" zog Brexit-Vorkämpfer Nigel Farage seine Rede bei der Jahreskonferenz seiner in Umfragen führenden Reform-Partei zeitlich vor. Es sei klar, dass ein Kabinett voller "unqualifizierter Personen" das Land führe. Starmers Regierung sei "genauso schlecht, wenn nicht sogar schlechter" als die vorausgegangene der Konservativen.

Für Starmers sozialdemokratische Labour-Partei ist der Rücktritt Rayners ein massiver Rückschlag. Sie galt als Galionsfigur des linken Parteiflügels und als Hoffnungsträgerin einer Partei, die in den Umfragen derzeit schwächelt. Zum Verhängnis wurde ihr, dass sie zu wenig Grunderwerbsteuer bezahlt hatte.

Starmer reagiert mit Personalrochade

Die Regierung war auch schon zuvor wegen einer stotternden Wirtschaft, steigender Lebenshaltungskosten und wachsender Unzufriedenheit über hohe Einwanderungszahlen unter Druck geraten. Die Rayner-Affäre löste ein weiteres Beben aus, auf das Starmer mit einer großen Personalrochade reagierte.

Übereinstimmenden Medienberichten zufolge wird der bisherige Außenminister David Lammy der Nachfolger von Rayner als Vize, er übernimmt das Justizministerium. Neue Außenministerin wird demnach die bisherige Innenministerin Yvette Cooper, deren Posten die bisherige Justizministerin Shabana Mahmood bekommt.

Profiteur der Krise ist Rechtspopulist Farage

Der Rücktritt der Politikerin ausgerechnet am ersten Tag der Reform-Konferenz passt ins Bild. Farage ließ sich auf dem Messegelände in Birmingham mehrfach feiern. Sein erster Auftritt auf dem Podium wurde von Pyrotechnik begleitet. Der 61-Jährige scheint sich zu gefallen als Mischung aus Rockstar und Politiker, der angeblich alles besser kann.

Der Brexit-Vorkämpfer treibt die Regierung schon seit Monaten vor sich her. In laut Farage "100 Umfragen" sei Reform zuletzt die stärkste Partei gewesen. Im britischen Mehrheitswahlrecht wird die landesweit stärkste Partei jedoch nicht zwangsläufig zur stärksten Fraktion im Parlament.

"Es passiert", rief Farage während seiner Rede mit Blick auf den Rayner-Rücktritt seinen Anhängern zu. Der Reform-Chef spielt mit der Angst der britischen Bevölkerung, insbesondere beim Thema Migration. Starmers Regierungskurs hatte er immer wieder scharf kritisiert oder ins Lächerliche gezogen. Jetzt geht Farage von Neuwahlen bereits 2027 statt 2029 aus. Er sehe eine "Spaltung" innerhalb der Labour-Partei, die den Posten hinter Starmer neu besetzen muss.

Starmer hatte die Partei vom linken Rand unter seinem Vorgänger Jeremy Corbyn weit in die politische Mitte geführt. Rayner galt als Brücke zu einem zutiefst misstrauisch gewordenen linken Parteiflügel.

Politikerin mit hoher Glaubwürdigkeit bei Arbeiterklasse

Rayner war in den vergangenen Tagen erheblich unter Druck geraten. Sie hatte zugegeben, sich bei der Frage nach der Höhe der Grunderwerbssteuer für eine Immobilie auf Rat verlassen zu haben, der sich als falsch herausstellte. Sie hatte selbst um eine Untersuchung gebeten, ob sie damit gegen die Verhaltensstandards für Kabinettsmitglieder verstoßen hatte. Diese kam zum Schluss, dass ein Verstoß vorlag.

Rayner gilt als schlagfertige und begabte Politikerin, die keine Auseinandersetzung scheute. Gelegentlich schoss sie übers Ziel hinaus, etwa als sie die politischen Gegner von der Tory-Partei als "Abschaum" bezeichnete - und sich entschuldigen musste.

Als Ministerin war sie unter anderem für die Themen Wohnen und kommunale Angelegenheiten zuständig. Glaubwürdigkeit in der britischen Arbeiterpartei verlieh ihr vor allem ihr bescheidener Hintergrund als Teenager-Mutter, die in einer Sozialwohnung aufgewachsen war und sich mit viel Fleiß in einer Gewerkschaft nach oben gearbeitet hatte. Auch ihr nordenglischer Dialekt trug zu diesem Ruf bei. Sie ist mit 45 Jahren bereits Großmutter.

Von politischen Gegnern wurde Rayner auch immer wieder zum Ziel sexistischer Vorwürfe. So berichtete die Boulevardzeitung "Mail on Sunday" einmal, Abgeordnete der Konservativen Partei hätten sich darüber beschwert, sie habe versucht, den damals noch konservativen Premierminister im Parlament mit ihren Beinen zu irritieren. Die Episode löste eine Debatte über Sexismus in der britischen Politik aus. Rayner erhielt viel Rückendeckung - auch von Politikerinnen des gegnerischen Lagers./cmy/DP/mis

Kommentare (0) ... diskutiere mit.
Werbung

Handeln Sie Aktien bei SMARTBROKER+ für 0 Euro!* Profitieren Sie von kostenloser Depotführung, Zugriff auf 29 deutsche und internationale Börsenplätze und unschlagbar günstigen Konditionen – alles in einer innovativen, brandneuen App. Jetzt zu SMARTBROKER+ wechseln und durchstarten!

*Ab 500 EUR Ordervolumen über gettex. Zzgl. marktüblicher Spreads und Zuwendungen.

k.A. k.A. k.A. k.A.
k.A. k.A. k.A. k.A.
k.A. k.A. k.A. k.A.
Schreib den ersten Kommentar!

Dis­clai­mer: Die hier an­ge­bo­te­nen Bei­trä­ge die­nen aus­schließ­lich der In­for­ma­t­ion und stel­len kei­ne Kauf- bzw. Ver­kaufs­em­pfeh­lung­en dar. Sie sind we­der ex­pli­zit noch im­pli­zit als Zu­sich­er­ung ei­ner be­stim­mt­en Kurs­ent­wick­lung der ge­nan­nt­en Fi­nanz­in­stru­men­te oder als Handl­ungs­auf­for­der­ung zu ver­steh­en. Der Er­werb von Wert­pa­pier­en birgt Ri­si­ken, die zum To­tal­ver­lust des ein­ge­setz­ten Ka­pi­tals füh­ren kön­nen. Die In­for­ma­tion­en er­setz­en kei­ne, auf die in­di­vi­du­el­len Be­dür­fnis­se aus­ge­rich­te­te, fach­kun­di­ge An­la­ge­be­ra­tung. Ei­ne Haf­tung oder Ga­ran­tie für die Ak­tu­ali­tät, Rich­tig­keit, An­ge­mes­sen­heit und Vol­lständ­ig­keit der zur Ver­fü­gung ge­stel­lt­en In­for­ma­tion­en so­wie für Ver­mö­gens­schä­den wird we­der aus­drück­lich noch stil­lschwei­gend über­nom­men. Die Mar­kets In­side Me­dia GmbH hat auf die ver­öf­fent­lich­ten In­hal­te kei­ner­lei Ein­fluss und vor Ver­öf­fent­lich­ung der Bei­trä­ge kei­ne Ken­nt­nis über In­halt und Ge­gen­stand die­ser. Die Ver­öf­fent­lich­ung der na­ment­lich ge­kenn­zeich­net­en Bei­trä­ge er­folgt ei­gen­ver­ant­wort­lich durch Au­tor­en wie z.B. Gast­kom­men­ta­tor­en, Nach­richt­en­ag­en­tur­en, Un­ter­neh­men. In­fol­ge­des­sen kön­nen die In­hal­te der Bei­trä­ge auch nicht von An­la­ge­in­te­res­sen der Mar­kets In­side Me­dia GmbH und/oder sei­nen Mit­ar­bei­tern oder Or­ga­nen be­stim­mt sein. Die Gast­kom­men­ta­tor­en, Nach­rich­ten­ag­en­tur­en, Un­ter­neh­men ge­hör­en nicht der Re­dak­tion der Mar­kets In­side Me­dia GmbH an. Ihre Mei­nung­en spie­geln nicht not­wen­di­ger­wei­se die Mei­nung­en und Auf­fas­sung­en der Mar­kets In­side Me­dia GmbH und de­ren Mit­ar­bei­ter wie­der. Aus­führ­lich­er Dis­clai­mer