Hermès überholt LVMH: Wie das Luxus-Urgestein zur wertvollsten Marke Frankreichs aufstieg

Strategische Exklusivität zahlt sich aus

Hermès hat erstmals in seiner Geschichte den Luxusgiganten LVMH in der Marktkapitalisierung überholt. Am Dienstag erreichte der Börsenwert von Hermès International SCA 243,65 Milliarden Euro und überstieg damit knapp den von LVMH mit 243,44 Milliarden Euro. Damit wurde Hermès zur wertvollsten Firma im französischen Leitindex CAC 40 – ein bemerkenswerter Triumph gegen den einstigen Kaufinteressenten.

Der Wendepunkt kam nach enttäuschenden Quartalszahlen von LVMH, woraufhin der Aktienkurs des Konzerns in Paris um bis zu 8,4 % einbrach. Gründe für den Rückschlag: schwächelnde Nachfrage in den USA und China sowie die Angst vor einer weiteren Eskalation des internationalen Handelskonflikts.

Luxus mit Warteliste: Das Hermès-Erfolgsrezept

Hermès trotzt der Branchenflaute mit einer glasklaren Fokussierung: Produkte wie die ikonische Birkin- oder Kelly-Bag sind nicht nur luxuriös, sondern auch schwer zu bekommen. Dieses Prinzip der „gesteuerten Knappheit“ sorgt dafür, dass die Nachfrage konstant über dem Angebot liegt – ein wirtschaftlicher Vorteil, der sich direkt im Börsenwert niederschlägt.

Dabei punktet Hermès mit Zahlen: 15,2 Milliarden Euro Umsatz und 6,2 Milliarden Euro operativer Gewinn im Jahr 2024. Zum Vergleich: LVMH erzielte zwar 84,7 Milliarden Euro Umsatz, aber bei einem operativen Gewinn von 19,6 Milliarden Euro leidet das Konglomerat unter einem sogenannten „Konglomeratsabschlag“, da margenstärkere Marken wie Louis Vuitton durch weniger profitable Sparten wie Sephora belastet werden.

Rückblick: Der gescheiterte Übernahmeversuch

2010 sorgte LVMH-Chef Bernard Arnault für Aufsehen, als er heimlich Aktien von Hermès aufkaufte – ein Coup, der in der französischen Wirtschaft für Empörung sorgte. Die Hermès-Familie schloss sich daraufhin zusammen und zwang Arnault später zum Rückzug. Heute führt Axel Dumas in sechster Generation das Unternehmen, das einst 1837 als Sattlerei gegründet wurde.

Die Börsengeschichte zeigt den Erfolg des Familienkurses: Während LVMH vor zwei Jahren noch rund 450 Milliarden Euro wert war und seither auf 245 Milliarden Euro fiel, hat Hermès seine Bewertung kontinuierlich gesteigert. Im Februar 2025 kratzte der Konzern sogar kurzzeitig an der Marke von 300 Milliarden Euro – trotz Zöllen auf EU-Importe in den USA.

Handelskonflikte belasten LVMH deutlich

Der Handelsstreit wirkt sich besonders negativ auf LVMH aus. Im ersten Quartal 2025 fiel der Umsatz auf 20,3 Milliarden Euro, ein Minus von zwei Prozent im Jahresvergleich. Besonders betroffen war das Kerngeschäft mit Mode und Lederwaren – hier sank der organische Erlös um fünf Prozent auf rund zehn Milliarden Euro. Analysten zeigten sich enttäuscht, viele hatten mit besseren Zahlen gerechnet.

Auch bei Spirituosen, Parfüms und Schmuck stagnieren oder sinken die Erlöse. Die Konzernführung denkt nun über Preissteigerungen in den USA nach und prüft eine Ausweitung der Produktion vor Ort. Die Aktie verlor seit Jahresbeginn über 23 Prozent – allein der Kursrutsch nach den jüngsten Zahlen kostete LVMH rund 20 Milliarden Euro an Börsenwert.

Hermès-Familie an der Spitze Europas

Während Bernard Arnault in der Liste der reichsten Menschen auf Rang fünf steht, gilt die Hermès-Familie laut Bloomberg mit einem geschätzten Vermögen von rund 171 Milliarden US-Dollar als wohlhabendste Familie Europas. In einer Branche, in der Exklusivität über Massenproduktion triumphiert, zeigt Hermès eindrucksvoll, wie ein klar definierter Markenkern langfristigen Erfolg sichert.